Internationaler Tag des Flüchtlings bei Kemnade International 2009

Internationaler Tag des Flüchtlings bei Kemnade International 2009

Redebeitrag der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V. zum 20. Juni

Redebeitrag der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
zum 20. Juni – Internationaler Tag des Flüchtlings -,
bei Kemnade International 2009

Liebe Besucher und Besucherinnen des Festivals,

die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. (MFH) ist eine sozialmedizinische Menschenrechtsorganisation, die seit 1997 Flüchtlinge und MigrantInnen in jeder Hinsicht unterstützt. Wir stellen sowohl medizinische als auch psychosoziale Versorgung für in Deutschland lebende Flüchtlinge und MigrantInnen bereit.

Anlässlich des heutigen Datums, des 20. Juni, der 1995 vom UNHCR international zum Tag des Flüchtlings beziehungsweise Weltflüchtlingstag erklärt wurde, möchten wir Sie auf die prekäre Lage von Flüchtlingen weltweit sowie in Deutschland aufmerksam machen.

Nach Angaben des UNHCR wurde die globale Zahl von Flüchtlingen am Ende 2007 auf insgesamt 42 Millionen Menschen geschätzt. 26 Millionen von ihnen sind so genannte Binnenvertriebene, die auf der Flucht vor Konflikten oder Verfolgung waren. Hinzu kommen noch 4,6 Millionen palästinensische Flüchtlinge. Damit sind nach einem Rückgang der Flüchtlingszahlen im Zeitraum 2001-2005 die Zahlen wieder angestiegen. Der UN- Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres weist darauf hin, dass sich die Situation weiter verschärfen könnte.

An den genannten Zahlen wird sichtbar, dass es sich bei Flüchtlingen um eine sehr große Gruppe von Migranten und Migrantinnen handelt. Obwohl nach Angaben des UNHCR die Zahl der Flüchtlinge vermutlich weiter ansteigen wird, setzen die meisten Länder eher auf eine Politik der Abschottung und Ignoranz, als dieser besonders schutzbedürftigen Migrantenpopulation adäquate Hilfeleistungen zuteil werden zu lassen.

Niemand verlässt freiwillig sein Heimatland und somit seine vertraute Umgebung und seine Wurzeln. Für viele Menschen ist die Flucht der letzte und einzige Ausweg, um sich und ihre Familien vor politischer, ethnischer, religiöser und auch geschlechtsspezifischer Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Auch die zunehmenden ökonomischen und ökologischen Katastrophen zählen zu den Fluchtursachen. Viele Flüchtlinge sind Frauen und Kinder. Sie sind während und nach ihrer Flucht vielfältigen Gefahren, wie beispielsweise sexueller Ausbeutung, ausgesetzt und daher besonders schutzbedürftig.

Viele Flüchtlinge haben Krieg, Verfolgung, Folter und Vergewaltigung erlebt, haben engste Familienangehörige oder Freunde gewaltsam verloren. Viele sind durch diese Erlebnisse schwer traumatisiert. Nach Angaben des „Internationalen Dachverbandes zur Unterstützung von Folterüberlebenden“ (IRCT) ist jeder fünfte Flüchtling auf der Welt bereits Opfer von Folter geworden.

In der Hoffnung auf ein Leben in Würde nehmen Flüchtlinge tagtäglich gefährliche Wege in Kauf, wie zum Beispiel die Flucht über das Mittelmeer, bei der viele afrikanische Flüchtlinge ihr Leben verlieren. Entweder ertrinken sie in den Wellen oder verdursten elendig bei der tagelangen Überfahrt auf überfüllten Booten. Nach Angaben des italienischen Journalisten Gabriele de Grande sind seit 1988 schätzungsweise eine halbe Million afrikanische Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken.

Nach Angaben der Organisation „Fortress Europe“ sind allein im März dieses Jahres etwa 245 Menschen auf den Routen zwischen Libyen, Tunesien, der Türkei und Ägypten sowie den italienischen und maltesischen Zielhäfen gestorben; weitere 210 Personen werden vermisst.

Anstatt dieser Tragödie Einhalt zu gebieten und humanitäre Hilfe zu leisten, lassen europäische Politiker Flüchtlinge von der EU-Grenzagentur Frontex an den europäischen Außengrenzen jagen.

Nur sehr wenige der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, kommen überhaupt lebend am gewünschten Bestimmungsort in einem Land in Europa, wie zum Beispiel Deutschland, an und werden dann für ihren Wagemut, ihre Stärke und ihren Überlebenswillen bestraft.

In Deutschland und in vielen anderen Ländern werden Flüchtlinge nicht wie Menschen, sondern wie Kriminelle behandelt. Derzeit leben rund 1,8 Mio MigrantInnen in Nordrhein-Westfalen, von denen rund 70.000 einen Flüchtlingsstatus haben, das heißt, sie haben keinen dauerhaft gesicherten Aufenthalt und leben daher in ständiger Angst vor Abschiebungen in die Länder, aus denen sie aus Angst um ihr Leben geflohen sind. Daneben leben tausende papierlose Flüchtlinge in unseren Städten und Gemeinden in der Illegalität und haben keinerlei Anspruch auf gesetzliche Leistungen oder Lebenshilfen. Ihre Situation ist sehr problematisch, und deshalb brauchen sie unsere Unterstützung in besonderem Maße.

Flüchtlinge werden massiv in ihren Menschenrechten beschnitten: Sei haben größtenteils kein Recht auf Arbeit und Bildung oder eine angemessene Gesundheitsversorgung, sie leiden unter eingeschränkter Bewegungsfreiheit, sie haben kein Recht auf eine Wohnung oder Privatsphäre und kein Anrecht auf den Besuch eines Sprachkurses.

Nur circa einem Prozent der gestellten Anträge auf politisches Asyl in Deutschland wird jährlich stattgegeben. Dies ist im Vergleich mit der Zahl der Asylsuchenden eine schockierende und lächerliche Anerkennungsquote. (Zahl der Asylsuchenden in Deutschland, 2007: 19,164)

Das Thema Migration und Integration findet zwar seit einigen Jahren verstärkte Beachtung, jedoch ist es bisher nicht gelungen, Flüchtlingen humanitär vertretbare Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen.

Es ist Aufgabe der Politik, notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen, die garantieren, dass die Würde des Menschen tatsächlich unantastbar ist. Alle sollten die gleichen Chancen erhalten, ihre Potenziale entdecken und einsetzen zu können.

Daher fordern wir eine Verbesserung des internationalen Flüchtlingsschutzes und die Wahrung der Menschenrechte in der Flüchtlingspolitik durch konkretes Handeln der Städte und Kommunen!

Wir fordern konkret:

1. Bildung für alle
2. Integrationskurse für Flüchtlinge
3. Recht auf Wohnung, Recht auf Privatsphäre
4. Residenzpflicht abschaffen
5. Bargeld statt Gutscheine
6. Medizinische Versorgung für alle
7. Einheitliche Umsetzung der Bleiberechtsregelung in NRW
8. Eigenständiges Aufenthaltsrecht für Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat
9. Kommunales Wahlrecht für langjährig in der BRD lebende Migranten und Migrantinnen

Wer sich zum Thema und über die Arbeit der Medizinischen Flüchtlingshilfe informieren will oder sich persönlich engagieren möchte, ist herzlich zu einem Gespräch mit uns an unserem Infotisch gegenüber der Scheune eingeladen!

Damit wir durch unsere Arbeit Flüchtlinge in allen Belangen unterstützen können, ist jede noch so kleine Spende ein wertvoller und willkommener Beitrag!

Im Namen der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum möchte ich mich bei der Festivalleitung und der Stadt Bochum herzlich für die heutige Redeerlaubnis bedanken!

Ihnen möchte ich für Ihre Aufmerksamkeit danken und wünsche weiterhin viel Vergnügen beim Festival!

Kirsten Ben Haddou
– Öffentlichkeitsarbeit –