Menschenunwürdige Lebensbedingungen für Flüchtlinge

 04.12.2008

Pressemitteilung der Medizinischen
Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

Flüchtlinge in Hattingen bei nasskaltem Winterwetter
ohne Heizung in Stich gelassen

Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. kritisiert die Stadt Hattingen wegen
der menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Flüchtlinge

Seit Montag, dem 1. Dezember
2008, leben zwei Flüchtlingsfamilien mit insgesamt zehn Personen
(darunter vier Minderjährige und kranke Menschen) im Buchengrund
5 in Hattingen ohne Heizung. Bei einem Besuch bei der Familie S. aus Kurdistan,
die seit fast acht Jahren in Hattingen lebt, stellten wir fest, dass die
58-jährige traumatisierte Mutter, die seit Jahren von der Medizinischen
Flüchtlingshilfe Bochum psychosozial betreut wird, versuchte, sich
in einer eiskalten Wohnung durch eine Decke zu wärmen; sie erinnerte
sich an die schlimmen Zeiten in Kurdistan, als sie vor der Gewalt der
türkischen Armee aus ihrem Dorf flüchten musste. Sie kann überhaupt
nicht verstehen, warum sie und ihre zwei erwachsenen Kinder in Deutschland
so behandelt werden.

Die Familie S. hatte wie andere
Heimbewohner am 22. Oktober 2008 einen Brief von der Stadt bekommen. In
dem Schreiben wurden sie aufgefordert, vom Asylbewerberheim Buchengrund
5 in die Gemeinschaftsunterkunft Werksstraße 40 umzuziehen. Es wurde
kein Termin für den Umzug festgesetzt. In der Unterkunft Werksstraße
40 leben seit vielen Jahren Flüchtlinge. In der Ortsausgabe Hattingen
des Stadtspiegels vom 15.11.08 wurde über den maroden Zustand des
Gebäudes berichtet; dies können wir aus eigenem Augenschein
bestätigen.

Nach dem Plan der Stadt Hattingen
sollen die traumatisierten Mitglieder der Familie S. an der Werksstraße
in getrennten Zimmern untergebracht werden; Frau S. und ihre Tochter sollen
zusammen in der 2. Etage und der Sohn im Erdgeschoss ein Zimmer bekommen.
Die Familie war gegen diese Trennung und hat mehrmals mit der zuständigen
Amtsperson über die schlechten Wohnbedingungen gesprochen, um deutlich
zu machen, dass diese Gemeinschaftsunterkunft nicht für die traumatisierte,
schwerkranke und mobil eingeschränkte alte Mutter geeignet ist; so
ist das Zimmer in der 2. Etage nur über eine Treppe von fast 50 Stufen
zu erreichen. Statt diese Argumente ernsthaft zu prüfen, übt
die Stadt Hattingen Druck auf die Familie aus, dass sie so schnell wie
möglich vom Buchengrund zur Werksstraße umziehen muss.

Offensichtlich um Druck auf
die Bewohner auszuüben, schaltete am 3. Dezember die Stadt Hattingen
die Heizungsanlage des Hauses Buchengrund 5 aus. Auf die Fragen der Familie
S. und anderer Heimbewohner, warum die Heizung aus sei, antwortete der
Hausmeister, dass er nur weiß, dass die Menschen aus diesem Haus
umziehen müssen und dass kein Heizöl mehr da sei. Für uns
ist es offensichtlich, dass das Abschalten der Heizung als Druckmittel
gegen die Bewohner des Hauses Buchengrund 5 benutzt wurde, um den Umzug
zu beschleunigen. Das zeitliche Aufeinandertreffen des Umzugs und die
Leere des Heizöltanks gerade in Haus Nr. 5 ist kein Zufall, zumal
im Haus Nr. 4 am Buchengrund noch Heizöl vorhanden ist. Zudem stellt
sich die Frage, warum die Bewohner nicht von der Stadt informiert wurden,
dass das Heizöl zur Neige geht? Hier kann man nur von Fahrlässigkeit,
Verantwortungslosigkeit oder bewusster Drangsalierung durch die Stadt
Hattingen ausgehen.

Wie anders ist sonst die Reaktion
der städtischen Behörden zu erklären, als sich der Sozialarbeiter
der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum am Dienstag, dem 2. Dezember,
bei der zuständigen Fachbereichsleiterin des Sozialamtes der Stadt
Hattingen über den Sachverhalt erkundigen wollte. Sie sagte, dass
sie nicht darüber Bescheid wisse und sich erst bei anderen Kollegen
erkundigen müsse; sie wurde daraufhin durch den Sozialarbeiter gebeten,
zurückzurufen. Seit diesem Telefonat gibt es keinen Kontakt mehr
zur Fachbereichsleiterin, und bis zur Erstellung dieser Mitteilung leben
immer noch zehn Flüchtlinge im Buchengrund 5 ohne Heizung.

Die Medizinische Flüchtlingshilfe
Bochum e.V. kritisiert das Missmanagement der Stadt Hattingen aufs schärfste
und versteht dieses Verhalten der Stadt Hattingen als menschenverachtend
und Teil einer Erpressungspolitik gegenüber schutzbedürftigen
Flüchtlingen.

Die Medizinische Flüchtlingshilfe
Bochum e.V. fordert die Stadt Hattingen auf,

– die Heizungsanlage des Hauses
Buchengrund 5 sofort wieder einzuschalten,

– ihre Aufgaben in der Flüchtlingsbetreuung
verantwortungsbewusster wahrzunehmen,

– das Flüchtlingsheim
an der Werksstraße 40 zu schließen.

Statt die menschenunwürdige,
zentralisierte massenhafte Unterbringung von Flüchtlingen weiterhin
zu betreiben, fordern wir die Stadt Hattingen auf, das Landesaufnahmegesetz
(LAufG) des Landes Nordrhein-Westfalen umzusetzen und die dezentralisierte
Unterbringung von Flüchtlingen zu ermöglichen.

Für weitere Fragen wenden
Sie sich bitte an den Sozialarbeiter, Herrn Hanif Hidarnejad, bei der
Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V., Tel. Nr. 0234-3 25 92
72.