Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und FLINTA*

Die MFH hat sich mit dem folgenden Redebeitrag am Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen und FLINTA* bei der Demonstration in Bochum und Kundgebung in Dortmund am 25.11.2024 beteiligt:

Die Medizinische Flüchtlingshilfe begleitet geflüchtete Menschen psychologisch und berät sie asylrechtlich. Wir sind ins Besondere darauf spezialisiert Überlebende schwerer Gewalterfahrungen und, oder Foltererfahrungen zu begleiten. Gewalt, die unsere Klient*innen erleben mussten ist oftmals einer der Gründe, der sie zur Flucht bewegt hat.

Sie wurden gegen ihren Willen beschnitten.

Sie wurden zwangsverheiratet.

Sie erfuhren sogenannte häusliche Gewalt durch Verwandte und Bekannte.

Sie wurden im Krieg systematisch vergewaltigt.

Sie wurden politisch verfolgt, weil sie sich für ihre Rechte eingesetzt haben.

Sie erfuhren Folter in Haft, oft in Form von sexualisierter Gewalt.

Sie wurden verkauft.

Viele Mädchen, Frauen und FLINTA* wurden ermordet, bevor sie hätten fliehen können.

Dabei muss klar sein: Gewalt gegen Frauen und FLINTA* hat ihren Ursprung immer in patriarchalen Strukturen, die überall auf der Welt greifen, auch wenn sie auf  unterschiedliche Weise Gestalt annehmen.

So können wir an historischen und auch an aktuelle Beispielen weltweit sehen, dass sexualisierte Gewalt in den verschiedensten bewaffneten Konflikten systematisch eingesetzt wird, um den innersten Kern einer Gemeinschaft zu brechen mit dem Ziel sie zu besiegen, zu vertreiben oder auszulöschen. Sowohl in militärischen als auch in zivilen Kontexten ermöglichen Männerbünde die Taten, indem die Gewalt durch andere Männer mindestens geduldet oder sogar aktiv unterstützt wird. Und auch auf ihrer Flucht und in Deutschland sind Frauen und FLINTA* großer Gefahr ausgesetzt, besonders, wenn sie alleine oder als alleinerziehende Eltern unterwegs sind. Weder auf dem Weg hierher noch in den Unterkünften in Deutschland, die sie während dem Asylverfahren beziehen müssen, werden sie angemessen geschützt.

Sehr viele Anfragen unserer weiblichen und queeren Klient*innen beziehen sich darauf, dass sie sich in ihrer Unterkunft nicht sicher fühlen und die Zustände dort sie zudem stark an vergangene Gewalterfahrungen erinnern und triggern. Sie berichten immer wieder von Belästigung bis hin zu Übergriffen durch männliche Bewohner oder auch Mitarbeiter. Die EU gesteht Asylsuchenden, die Folter und schwere Gewalt überlebt haben, eigentlich besondere Rechte während des Asylverfahrens zu. Unter anderem in Bezug auf ihre Unterbringung. Diese werden allerdings nicht automatisch durch Behörden umgesetzt. Und eigens gestellte Anträge werden oft trotzdem nicht bewilligt, weil die Kommune nicht die Ressourcen oder den Willen hat, die besonderen Bedürfnisse tatsächlich zu erfüllen. Anfang diesen Jahres hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass Frauen eine sogenannte soziale Gruppe sind, die allein wegen ihres Geschlechts verfolgt werden kann. Für Asylverfahren ist das eine wichtige Voraussetzung. Es bleibt zu hoffen, dass Behörden und Gerichte diese Grundsatzentscheidung tatsächlich umsetzen und mehr weibliche Gewaltüberlebende als bisher als asylberechtigt anerkannt werden.

Geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung werden zwar schon länger als Fluchtgründe anerkannt und je nach Herkunftsland stehen die Chancen auf eine Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gut. Aber für queere Geflüchtete bleibt es aus Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung oft schwer sich im Asylverfahren als queer zu outen und damit ihre tatsächlichen Fluchtgründe vorzubringen – was verheerende Folgen für ihr Bleiberecht haben kann.

Die Trennung von gewalttätigen Partnern ist durch manipulative Mechanismen und Abhängigkeitsverhältnisse für geflüchtete Frauen oft schwer. Hinzu kommt, dass eine Trennung ihre Bleiberechtsperspektive verschlechtern kann. Besonders herausfordernd ist es räumliche Distanz zum Täter zu schaffen, wenn die Betroffenen sich ihren Wohnort nicht selbst aussuchen dürfen. Mit großer Sorge beobachten wir, dass vor kurzem mit Beteiligung einer deutschen Ausländerbehörde eine Abschiebung direkt aus einem Frauenhaus vorgenommen wurde, dessen Adresse natürlich eigentlich unbedingt geheim gehalten werden muss.

Für Überlebende können die traumatischen Folgen der Gewalterfahrungen immens sein. Vergewaltigung und andere sexualisierte Gewalt zählen zu den häufigsten Ursachen für Traumafolgestörungen. Eine ganzheitliche Versorgung unter anderem durch Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Sozialarbeitende, sowie die gesellschaftliche Anerkennung des Erlittenen ist unentbehrlich. Das Asylbewerberleistungsgesetz zählt eine solche Versorgung allerdings nicht als akuten medizinischen Bedarf. Das heißt: In den ersten 3 Jahren in Deutschland weigern sich die Sozialämter meistens, die Kosten für eine Psychotherapie zu tragen. Nur um diese Versorgungslücke zu überbrücken ist unsere Arbeit als psychosoziales Zentrum überhaupt erst notwendig.

Aber, wie so viele Einrichtungen ist auch die MFH finanziell abhängig von öffentlichen Mitteln. Schon lange müssen wir leider viele Anfragen ablehnen, weil diese Mittel nicht ausreichen und seit Jahren sogar sukzessive gekürzt werden. Parallel soll bis 2026 das Gemeinsame Europäische Asylsystem, kurz GEAS, skandalös reformiert werden. Es sind unter anderem Asyl-Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen vorgesehen, während die Geflüchteten in haftähnlichen Bedingungen dort festgehalten werden. Den besonderen Schutzbedarfen von Gewaltüberlebenden läuft das völlig zuwider.

Liebe Betroffene, wir sollen euch von einer unserer Klientinnen ausrichten:

Ihr seid nicht schuld, an dem, was euch angetan wurde.

Und ihr seid nicht die einzigen, die Gewalt überlebt haben.

Nehmt all euren Mut zusammen und wendet euch an Beratungsstellen!

Denn gemeinsam sind wir stärker!