Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa
Pressemitteilung
Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. ist alarmiert und empört angesichts der Reaktionen auf die Flüchtlingskatastrophe, die sich am vergangenen Donnerstag vor der Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ereignete. 500 Flüchtlinge stürzten dabei von einem brennenden Boot ins Meer, fast 200 Leichen wurden bislang geborgen, viele werden noch vermisst.
Die Trauer und Sorge der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum gilt insbesondere den Angehörigen der Toten. Gleichzeitig drückt die Medizinische Flüchtlingshilfe ihre Empörung angesichts des Umgangs mit den Überlebenden der Katastrophe aus. Denn anstatt ihrer gesetzlich verankerten Verpflichtung, Menschen, die aus lebensbedrohlichen Bedingungen nach Europa fliehen, nachzukommen, kriminalisieren die italienischen Behörden diese Schutzsuchenden. Den 155 Personen, die das Unglück überlebt haben, drohen nun Ermittlungen wegen illegaler Einwanderung sowie Geldstrafen von bis zu 5.000 Euro.
Bei der Katastrophe handelt sich um das bislang schwerste Bootsunglück von Flüchtlingen vor Lampedusa, dem jedoch viele weitere vorangingen. Seit 1998 kamen knapp 20.000 Flüchtlinge hier zu Tode; sie ertranken, verdursteten oder erlitten Kreislaufzusammenbrüche in den völlig überfüllten Booten. Seit ihrer Gründung 1997 macht die Medizinische Flüchtlingshilfe aufmerksam auf das Schicksal von Menschen, die vor Bürgerkrieg, politischer, religiöser oder ethnischer Verfolgung fliehen, sowie auf die beschämende Behandlung dieser Schutzsuchenden in Europa. Als Menschenrechtsorganisation, die medizinische und psychosoziale Betreuung für Überlebende von Folter und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen, die als Flüchtlinge in Deutschland leben bereitstellt, wirken wir tagtäglich den traumatischen Folgen von Flucht und Vertreibung entgegen. Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum stellt sich solidarisch an die Seite jener, denen Unbeschreibliches widerfahren ist und die ihr Leben auf der Flucht riskiert haben, um sich schließlich den bürokratischen Mauern der Festung Europa ausgeliefert zu sehen.
Trotz der vielfach von behördlicher Seite geäußerten Bestürzung über die Katastrophe vom vergangenen Donnerstag und der nun einmal mehr beschworenen Ideale wie die der Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Lösung der Flüchtlingsproblematik, zeugt die aktuelle europäische Flüchtlingspolitik von einer ganz anderen Zielsetzung. Seit 15 Jahren wird über ein gemeinsames Asylsystem der EU-Länder verhandelt. Ursprünglich sollte durch dieses System Schutzsuchenden in Europa Asyl gewährt und deren Verteilung auf die EU-Länder geregelt werden. Stattdessen sind nun die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, einen Großteil der Schutzbedürftigen von Europa fernzuhalten.
So werden die Transitländer mit Waffen, Technik und Geld ausgestattet, um möglichst keine Flüchtlinge mehr durchreisen zu lassen. Auch das neue Grenzüberwachungssystem Eurosur ist darauf ausgerichtet, Flüchtlingsboote vor den europäischen Außengrenzen aufzuspüren und die Schutzsuchenden zurück zu schicken, bevor sie überhaupt das Festland betreten und einen Asylantrag stellen können. Die Medizinische Flüchtlingshilfe verurteilt diesen Umgang mit schutzsuchenden Flüchtlingen aufs Schärfste, und tritt ein für legale Zuwanderungsmöglichkeiten in die EU sowie dafür, dass Flüchtlinge eine Chance auf eine lebenswerte Zukunft in Deutschland und in anderen europäischen Ländern bekommen.
Pressekontakt:
Hanna Schirovsky
Öffentlichkeitsarbeit
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