Flüchtlinge in meiner Nachbarschaft, wer sind sie?
Flüchtlinge in meiner Nachbarschaft, wer sind sie?
Aus Anlass des Internationalen Tags der Flüchtlinge am 20. Juni weist die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. (MFH) auf die wichtigsten Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche gesellschaftliche und politische Teilhabe von Flüchtlingen hin.
In den vergangenen Monaten konnte man in den Nachrichten vieles über Flüchtlinge erfahren. Wir erfuhren von Kriegen, Diktaturen, Hunger, Naturkatastrophen und Ertrunkenen; von Menschen, die einen sicheren Ort für sich und ihre Familie suchen. Bei vielen Flüchtlingen in Deutschland ist das Leben von drei wesentlichen Faktoren geprägt: Zum Teil traumatisierende Erlebnisse im Heimatland und auf der Flucht sowie die psychosozialen Belastungen in Deutschland; alle diese Erfahrungen können zu psychischen Krankheiten führen. In unserem Land, in unseren Städten, in unserer Nachbarschaft leben Flüchtlinge zum Teil schon viele Jahre. Doch gemeinhin wissen wir nur wenig über ihre Lebenssituation, ihre Probleme und ihren Aufenthaltsstatus.
Die einzelnen Flüchtlingsgruppierungen, unterschieden nach ihrem Aufenthaltsstatus:
1. AsylbewerberInnen: Flüchtlinge, deren Asylverfahren laufen. Sie müssen die ersten 48 Monate in Sammelunterkünften leben und haben keinen Anspruch auf Integrationskurse.
2. Langjährig geduldete Flüchtlinge: Ihre Asylverfahren sind definitiv abgeschlossen, sie sind daher ausreisepflichtig. Aber aus rechtlichen Gründen (fehlender Reisepass) oder aus tatsächlichen Gründen (Reiseunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen) werden sie „geduldet“. Ihre Duldung wird meist nur für 3 Monate verlängert. Diese Personen werden permanent von der Ausländerbehörde (ABH) unter Druck gesetzt, um eine „Freiwillige Rückkehr“ zu unterschreiben. Für den überwiegenden Teil der Flüchtlinge sind diese Drucksituation und die kurzzeitige Verlängerung der Duldung nur sehr schwer ertragbar.
3. Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen: Diese Gruppe kann über eine Vorrangprüfung eine Arbeitserlaubnis erhalten, sie hat nur geringe Zugangschancen zum Arbeitsmarkt. So fallen fast alle diese Personen unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) und erhalten so nur sehr eingeschränkte Sozialleistungen. (Bei den ersten oben drei genannten Gruppierungen liegen die Leistungen bei Erwachsenen bis zu 38 % und bei Kindern bis zu 54 % Prozent unter den Hartz IV-Regelsätzen).
4. Flüchtlinge, die das Bleiberecht nach § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) beantragt haben: Diese Personen haben bis zum 31.12.2011 Zeit einen Job zu finden, der sie und gegebenenfalls ihre Familien unabhängig von staatlicher Unterstützung macht, bei Nichterfüllung droht die Abschiebung; besonders alte, kranke und alleinerziehende Flüchtlinge werden durch diese Regelung total überfordert. Die Medizinische Versorgung über das AsylblG ist für alle o.g. Gruppen sehr eingeschränkt und nur in „akuten Fällen“ werden die Behandlungskosten vom Sozialamt übernommen.
5. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF): Seit Oktober 2010 kommen immer mehr Flüchtlinge dieser Personengruppe nach NRW, u.a. nach Dortmund, Bielefeld und Bochum. Es wird erwartet, dass ihre Zahl weiter steigt. Neben der Betreuung in Jugendhilfe- Einrichtungen brauchen sie Beratung in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten.
6. Personen, die über die Ehegattennachzug-Regelung nach Deutschland gekommen sind: Migrantinnen, die durch Familien- oder Ehegattennachzug in die Bundesrepublik einreisen, erhalten zunächst kein eigenständiges Aufenthaltsrecht und sind somit von der Aufrechterhaltung der Ehe abhängig. Von häuslicher Gewalt oder Zwangsverheiratung betroffene Migrantinnen bleiben daher oft aus Angst vor dem Verlust des eigenen Aufenthaltsrechtes und des Sorgerechtes für ihre Kinder lange in einer Gewaltbeziehung, ohne den Partner zu verlassen oder Hilfe in Anspruch zu nehmen. Als Folge von Gewalt in der Familie resultieren schwerwiegende psychische Belastungen für die betroffenen Frauen und ihre Kinder.
7. Papierlose Flüchtlinge: Sie brauchen vor allem eine anonyme und kostenlose medizinische Versorgung durch das staatliche Gesundheitssystem.
Was fordern wir?
Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. ist der Meinung, dass eine erfolgreiche Integrationspolitik mit Flüchtlingen und MigrantInnen folgende Aspekte beinhalten muss:
- Den Anspruch auf einen Sprachkurs und auf einen ungehinderten Zugang zur medizinischen Versorgung unabhängig vom Aufenthaltsstatus;
- Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt;
- eine gesellschaftliche und politische Teilhabe durch das kommunale Wahlrecht für anerkannte Flüchtlinge und Ausländer mit Niederlassungserlaubnis bzw. Aufenthaltserlaubnis, die mehr als fünf Jahre in Deutschland leben;
- eine menschenwürdige Behandlung durch die Behörden und die Abschaffung von diskriminierenden Gesetzen wie das Asylbewerberleistungsgesetz.
Durch diese Maßnahmen soll die Politik diesen Menschen die Zugehörigkeit zur Gesellschaft vermitteln.