15 Jahre faktische Abschaffung des Asymlrechts in der BRD

Am 26. Mai 1993 beschloss der Deutsche Bundestag – gegen die Proteste breiter Gesellschaftsschichten – die Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes (GG).

Diese Entscheidung bedeutet eine massive Einschränkung, ja eine faktische
Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, denn der abstrakt formulierte Grundsatz
in Absatz 1 des Artikels 16a GG („Politisch Verfolgte genießen
Asylrecht.“) wird durch die Ausnahmen in den nachfolgenden Absätzen
systematisch beschnitten und ausgehöhlt.

Mit der Manifestierung der so genannten „Drittstaatenregelung“
kann sich kein Flüchtling mehr auf das individuelle Grundrecht auf
Asyl berufen, wenn er über eine Landgrenze in die Bundesrepublik
Deutschland einreist. So wurden z.B. im Jahr 2007 beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) zwar 19.164 Asylerstanträge
gestellt – und damit der niedrigste Zugang seit 1997 erreicht –;
doch wurden im Zeitraum von Januar bis Dezember 2007 lediglich 28.572
Entscheidungen (Vorjahr: 30.759) getroffen und schließlich nur 304
Personen! (1,1 %) als Asylberechtigte nach Art. 16a des Grundgesetzes
anerkannt.

Diese gravierende Einschränkung des Asylrechts wurde nicht nur in
Deutschland beschlossen, sondern im Jahr 2005 wurde die „Erfindung“
der „supersicheren Drittstaaten“ vom damaligen Bundesinnenminister
Otto Schily in die EU-Regelung zu sicheren Herkunftsländern exportiert
bzw. hineinverhandelt (Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember
2005).
Nach deren Verabschiedung durch den Rat klagte das Europäische Parlament
gegen die Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH); in
der Klage machte das Parlament unter anderem sein Mitentscheidungsrecht
geltend. Letztendlich hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg
(EuGH) am 6. Mai 2008 die EU-Drittstaatenregelung und die EU-Regelung
über sichere Herkunftsländer für nichtig erklärt (Rs.
C-133/06).

Neben der faktischen
Abschaffung des Asylrechts gibt es in Deutschland noch andere diskriminierende
Gesetze gegen Flüchtlinge, u.a. das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Im AsylbLG sind Höhe und Form von Leistungen für hilfsbedürftige
Asylbewerber, Geduldete und vollziehbar zur Ausreise verpflichtete Ausländer
sowie deren Familienangehörige (Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige
Kinder) geregelt.
Das Gesetz trat am 1. November 1993 in Kraft und wurde bereits mehrmals
geändert, jedoch meist zum Nachteil des Flüchtlings. Es katalogisiert
Personengruppen von Ausländern, die bei Bedürftigkeit während
ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik keine Leistungen der Sozialhilfe
bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Sicherung des Existenzminimums
erhalten, sondern weitaus geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Durch dieses Gesetz wird „der notwendige Bedarf an Ernährung,
Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und
Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts […] grundsätzlich
durch Sachleistungen gedeckt“.
Bei gewissen Voraussetzungen gewährt das AsylbLG Alternativen zu
diesen Sachleistungen; in Betracht kommen dabei zunächst Leistungen
in Form von Wertgutscheinen, diesen vergleichbare „unbare“
Abrechnungen oder, wenn vorgenannte Alternativen nicht gewährt werden
können, Geldleistungen. Neben Sachleistungen erhalten die Leistungsberechtigten
nach dem AsylbLG in der Regel einen „Geldbetrag zur Deckung persönlicher
Bedürfnisse des täglichen Lebens“; dieser beträgt
für Leistungsberechtigte ab 14 Jahre 40,90 €, alle anderen Personen
beziehen 20,45 € monatlich.

Leistungen zur medizinischen Versorgung werden bei akuter Krankheit bzw.
akutem Behandlungsbedarf, bei schmerzhafter Krankheit sowie für zur
Sicherung der Gesundheit unerlässliche Behandlungen gewährt.
Die Formulierung „akute Erkrankung“ verdeutlicht, dass eine
chronische Erkrankung grundsätzlich keinen Leistungsanspruch bedeutet.

Diese Maßnahmen haben für die Flüchtlinge und ihre Familienangehörigen
in Deutschland ein dermaßen repressives Umfeld geschaffen, das sehr
leicht verschiedene psychische bzw. psychosoziale Erkrankungen auslöst.
Die Lebensbedingungen von Asylsuchenden sind in den vergangen Jahren jedoch
gegen alle Vernunft weiterhin restriktiv ausgestaltet worden; diese rechtsstaatswidrige
Abschreckung verhindert die Integration, zudem trägt die inhumane
Behandlung der Asylsuchenden zu ihrer Stigmatisierung und Ausgrenzung
bei.

Das zusammen mit der
Grundgesetzänderung im Jahr 1993 beschlossene Asylbewerberlei-stungsgesetz
wurde kontinuierlich, zuletzt 2007, verschärft. Es führt zu
einer oft entwürdigenden Zwangsunterbringung von Asylsuchenden in
Massenunterkünften, zu einer ungenügenden Existenzsicherung,
zu diskriminierenden Versorgungspraktiken (Gutscheine statt Bargeld, „Esspakete“
usw.) sowie zu gravierenden Mängeln in der medizinischen Behandlung.
Zudem wurden seit Inkrafttreten des AsylbLG vor 15 Jahren seine Regelsätze
den steigenden Lebenshaltungskosten nicht angepasst. Entgegen der Aussage
des Gesetzgebers kann hier von einer „Existenzsicherung, die dem
Prinzip der Menschenwürde gerecht wird“, keine Rede sein.

Für ein menschenwürdiges
Leben der Flüchtlinge in Deutschland ist es nötig, dass die
Bundesregierung und der Bundesrat sämtliche Änderungen im Grundgesetz,
die seit dem 26. Mai 1993 zur faktischen Abschaffung des Asylrechts in
Deutschland vorgenommen wurden, uneingeschränkt zurücknehmen
und das inhumane und diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen.

Hanif Hidarnejad & Axel Spitzer
26.05.2008