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Gerechtigkeit Heilt

    Warum Gerechtigkeit heilt

    „Meine Angst von dem Vergessen ist größer als die Angst zu viel zu erinnern.“
    – Yosef H. Yerushalmi, USA

    „Ein spanisches Sprichwort besagt: Wahrheit ist wie Öl, am Ende schwimmt sie oben. Selbst wenn das stimmt, bleibt die Frage, was man mit der Wahrheit macht, wenn sie oben ist.“ – Adam Newey, UK

    „Dieses Land ist besessen von General Pinochet. […] Ein Land, in dem das Leben nicht weitergehen kann, bis das Leben, das hier zerstört wurde, zu seinem Recht kommt. […] Es ist an der Zeit, diese Situation zu verändern, diese heuchlerische Versöhnung, die verlangt, dass auf der einen Seite die Opfer das ihnen zugefügte Leid vergessen sollen, ohne dass verlangt wird, dass auf der anderen Seite die privilegierten und verbrecherischen Chilenen, die ihren Mitbürgern dieses Leid zugefügt haben, je um Verzeihung bitten müssen.“– Ariel Dorfman, Chile

    „Unser Land will Schluss damit machen, ein Reservat der Straflosigkeit zu sein, […] Alle, die wir heute hier sind, teilen die Hoffnung, dass es eher früher als später die Erinnerung geben wird, dass es Gerechtigkeit geben wird, denn die Geschichte lehrt uns, dass die Erinnerung alle ihre Gefangennahmen überlebt und dass die Gerechtigkeit stärker sein kann als alle Angst, wenn die Menschen sie unterstützen.“ – Eduardo Galeano, Uruguay

    In zahlreichen Ländern wird seit der Verhaftung des chilenischen Diktators Augusto Pinochet in London 1998 mit großem Einsatz für eine juristische Aufarbeitung der in der Epoche der Militärdiktaturen begangenen Menschenrechtsverbrechen gestritten. Dabei wird von Menschenrechtsorganisationen und Anwaltsvereinigungen ebenso wie von breiten Teilen der Öffentlichkeit mit großem Trickreichtum, einem hohen Maß an Akribie und einem langen Atem versucht, die Schicksale von Opfern aufzuklären, Überlebende zu rehabilitieren und die Täter ihrer verdienten Strafe zuzuführen.

    Zeitgleich wurde international um die Einführung einer internationalen Strafgerichtsbarkeit gestritten und schließlich konnte – gegen den massiven Widerstand der USA – der internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit aufnehmen.
    Seit den Prozessen von Nürnberg hat die überstaatliche Rechtssprechung eine Bedeutung im völkerrechtlichen Diskurs erhalten, der jedoch während des Kalten Krieges zunächst weitgehend verebbte. Nach erfolgreichen Prozessen gegen Menschenrechtsverbrechen vor staatlichen Gerichten, wie zum Beispiel in Griechenland nach 1976, umstrittenen Wahrheitskommissionen wie im Südafrika der 90er Jahre und zunächst gescheiterten Versuchen in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern, erlangte die internationale Gerichtsbarkeit mit dem Ruanda-Tribunal und dem Jugoslawien-Tribunal in Den Haag erneut völkerrechtliche Bedeutung und öffentliche Aufmerksamkeit.

    Gerechtigkeit heilt

    Nicht nur diejenigen, die sich unmittelbar als Kläger:innen oder Zeug:innen an Gerichtsverfahren beteiligten, sondern auch Überlebende, die medienvermittelt ihre ehemaligen Folterer später auf der Anklagebank wiedersahen, haben durch die Veränderung ihrer Position erstaunliche Genesungserfolge erfahren.

    Hierbei spielen vor allem zwei Aspekte eine wesentliche Rolle:
    Diejenigen, die sich selbst an Sammelklagen beteiligen, verlassen durch diesen Schritt die Opferrolle, in die sie das Erlittene gedrängt hat. Sie werden initiativ, übernehmen erneut Verantwortung bei der Steuerung gesellschaftlicher Prozesse und wehren sich zeitversetzt gegen ihre Wehrlosigkeit in der durchlittenen Situation. Sie werden wieder zu handelnden Subjekten und können damit leichter die erlebten Ausnahmesituationen in die eigene Biografie integrieren.
    Diejenigen, die sich nicht selbst an Prozessen beteiligen, profitieren indirekt von der Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Die erfahrene eigene Rehabilitation und die rechtmäßige Kriminalisierung der Täter erleichtern ebenfalls die biografische Integration des Erlittenen.

    Was hat die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. mit einer Kampagne „Gerechtigkeit heilt“ zu tun?

    Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. hat sich seit ihrem Bestehen stets auch den gesellschaftlichen Dimensionen von Krankheit und Flucht gewidmet. Als sozialmedizinische Menschenrechtsorganisation stellte sie neben der unmittelbaren Behandlung von Flüchtlingen auch den vielschichtigen Komplex von fluchtbedingten Krankheitsursachen in den Kontext ihrer politischen Arbeit.
    Traditionelle Behandlungsansätze verbleiben oftmals jedoch auf der individualtherapeutischen Ebene.

    Die Kampagne „Gerechtigkeit heilt“ bietet die Möglichkeit, auch den Begriff der Therapie in einem sozialmedizinischen Kontext zu etablieren. Sie verbindet Menschenrechtsarbeit mit Prävention und Therapie in eben jenem Feld, das in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung bei der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V. gewonnen hat: bei der Therapie psychotraumatisierter Patient:innen.

    Kontakt: Bianca Schmolze, Menschenrechtsreferentin MFH Bochum