Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum fordert Entschuldigung oder Rücktritt von Ministerpräsident Oettinger für Relativierung von Verbrechen der NS-.Justiz

13.04.2007

Presseerklärung der Kampagne „Gerechtigkeit heilt – Der internationale Kampf gegen Straflosigkeit“
der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

Kampagne “Gerechtigkeit heilt” fordert
Entschuldigung oder Rücktritt
Ministerpräsident Oettinger relativierte Verbrechen der NS-Justiz

Eigentlich wäre das Ereignis keiner Rede wert gewesen. Ein furchtbarer
Jurist ist von uns gegangen und hat keine Lücke hinterlassen. Statt
dessen ist der ehemalige NS-Marinerichter und Ministerpräsident von
Baden-Württemberg Hans Filbinger wieder in aller Munde. Die Rehabilitierung
Filbingers begann an seinem Grab. Dort relativierte der heutige baden-württembergische
Ministerpräsident Oettinger in seiner Grabrede die Verbrechen, die
sein Vorgänger Filbinger während seiner Amtszeit als NS-Marinerichter
begangen hatte.

Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist die Rede Oettingers
eine Beleidigung für die Überlebenden und die Angehörigen
von Opfern des NS-Regimes, insbesondere für die Deserteure, die von
Urteilen wie jenen, an denen Filbinger beteiligt gewesen war, betroffen
waren. Sie und diejenigen, die dem Nationalsozialismus wirklich widerstanden
haben, sind es, die die Anerkennung der Gesellschaft verdienen, und nicht
Scharfrichter wie Filbinger und sein Grabredner Oettinger.

Mit seiner Rede-Relativierung scheint Oettinger einen kollektiven Gedächtnisschwund
herbeireden zu wollen. „Eine Gesellschaft ohne Gedächtnis“,
sagt Bianca Schmolze, „ist eine Gesellschaft, die blind ist gegenüber
ihrer Vergangenheit und Gegenwart und die Gefahr läuft, in der Zukunft
die Fehler und Verbrechen zu wiederholen, die sie verdrängt hat.“
Im Rahmen der Kampagne Gerechtigkeit heilt hat sich erwiesen, dass in
zahlreichen Ländern Richter vom Zuschnitt eines Filbinger dazu beitragen,
dass Unschuldige vor Gericht gestellt, verurteilt, gefoltert, vergewaltigt
oder sogar hingerichtet werden. Und den Menschen, die ihnen entkommen,
bleibt nicht selten nur die Option zur Flucht. Nicht wenige von ihnen
gehören zu jenen Menschen, mit denen die Medizinische Flüchtlingshilfe
täglich arbeitet.

Der internationale Kampf gegen Straflosigkeit strebt nach der weltweiten
Einhaltung internationaler Menschenrechts- und Justizstandards, um einen
Missbrauch der Justiz durch Diktaturen oder andere repressive Regime zu
vermeiden. Sie wendet sich daher nachdrücklich gegen furchtbare Juristen
wie Filbinger und versucht dazu beizutragen, dass jene, die für Verbrechen
gegen die Menschheit Verantwortung tragen, ihrerseits vor Gericht gestellt
und in einem rechtsstaatlichen Prozess zur Verantwortung gezogen werden.

Die deutsche Nachkriegsgeschichte ist über Jahrzehnte durch ihre
personellen Kontinuitäten zum nationalsozialistischen Verbrecherregime
geprägt gewesen. Dies gilt auch für die Justiz. „Doch
nur ohne solche Richter kann es Gerechtigkeit geben“, bekräftigt
Bianca Schmolze. Nach dem „Nie- Wieder“ von 1945 wurden solche
Kontinuitäten nur möglich durch Leute, die wie Oettinger Schönfärberei
betrieben haben und heute noch betreiben. Ein solcher Ministerpräsident
ist nicht tragbar. Daher fordert die Kampagne “Gerechtigkeit heilt”
eine öffentliche Entschuldigung und Richtigstellung durch den Ministerpräsidenten
und anderenfalls seinen Rücktritt.

Für weitere Informationen steht Ihnen Bianca Schmolze
unter Tel.: +49 234 904 13 80 donnerstags und freitags zur Verfügung.