Beschlussvorlage des Medinetz-Bundestreffen vom 27.-29. Mai 2011

Pressemitteilung der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

Pressemitteilung, Juni 2011

Beschlussvorlage des Medinetz-Bundestreffen vom 27.-29. Mai 2011

Am Wochenende (27. -29. Mai 2011) trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der Medinetze und Medibüros aus ganz Deutschland in Frankfurt am Main im Haus „Institut für vergleichende Irrelevanz“ am Campus der Goethe-Universität. Das diesjährige Bundestreffen wurde durch das Medinetz Mainz veranstaltet.

Die Medinetze und Medibüros, die sich in mittlerweile 30 verschiedenen Städten deutschlandweit gegründet haben, vermitteln medizinische Versorgung an Migranten ohne Krankenversicherung, die nicht die Möglichkeit haben am deutschen Gesundheitssystem zu partizipieren. Es handelt sich dabei primär um in Deutschland lebende Menschen ohne Aufenthaltsstatus, aber vermehrt auch um aus den neuen EU-Ländern kommende Migranten ohne Krankenversicherung.

Freitagabend bis Sonntagnachmittag diskutierten insgesamt 60 Vertreterinnen und Vertreter aus 17 Städten Themen aus ihrem Arbeitsalltag sowie ihre politischen Bestrebungen. Unter anderem fand ein Austausch über die großen Anforderungen und Probleme statt, mit denen sich die Medinetz-/Medibüro-Mitarbeiter bei der Beratung und Vermittlung von in Not geratenen Flüchtlingen konfrontiert sehen. Hierfür sind in erheblichem Maße psychologische, kulturelle und sozialrechtliche Kenntnisse sowie strukturelle und organisatorische Fähigkeiten notwendig. Auch wurde der Umgang mit der Patientengruppe der Schwangeren besprochen, deren Vorsorge, Entbindung und Nachsorge besondere Herausforderungen an die Medinetze und Medibüros stellt.

Außerdem erarbeiteten die Teilnehmer des Bundestreffens intensiv die sozialrechtliche Situation für die verschiedenen Migrantengruppen. Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage werden Flüchtlinge hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung diskriminiert und erhalten, gemäß Asylbewerberleistungsgesetz, lediglich eine eingeschränkte gesundheitliche Versorgung. Gerade bezüglich chronischer Erkrankungen werden Leistungen in den einzelnen Sozialämtern in nur unterschiedlicher Weise gewährt. Menschen ohne Papiere können aber selbst die im Gesetz garantierte medizinische Versorgung nicht wahrnehmen, da aufgrund der Meldepflicht öffentlicher Behörden (§87 AufenthG) ein Kostenerstattungsantrag beim Sozialamt mit einer drohenden Abschiebung einhergeht. Diese Form der Denunziation von Menschen ohne Papiere ist in Europa einmalig.

Das Bundestreffen der Medinetze und Medibüros fordert deshalb:

1. die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes,

2. die Abschaffung des “Denunziationsparagraphen” (§87 AufenthG, Übermittlungspflicht öffentlicher Stellen an die Ausländerbehörde)

3. bis zur Abschaffung dieser diskriminierenden Gesetze die Gewährleistung, dass unter Schweigepflicht erhobene Daten nicht an die Ausländerbehörde gelangen.

In Bezug auf EU-Bürger, die aus dem Ausland kommend ohne Krankenversicherung in Deutschland leben, fordern die Medinetze und Medibüros, dass politische Entscheidungsträger ihre Zuständigkeiten erkennen. Viele der hier lebenden EU-Bürger haben keine oder eine ungenügende Krankenversicherung und erhalten deshalb häufig nicht die nötige gesundheitliche Versorgung. Wenn Deutschland im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse die EU-Osterweiterung vorantreibt, muss es auch für die gesundheitliche und sozialrechtliche Absicherung der nach Deutschland immigrierenden EU-Ausländer sorgen. Der Staat ist in der Verantwortung die Gesundheitsversorgung für alle hier lebenden Menschen zu garantieren. Diese Aufgabe darf nicht auf nichtstaatliche Organisationen abgewälzt werden.